PtX und Energieeffizienz – 23 Energie-Experten fordern: „Effiziente Energiewende jetzt statt warten auf das grüne Gas“
Berlin. Am heutigen Mittwoch haben 23 Energie-Expertinnen und Experten ein gemeinsames Dossier „Effiziente Energiewende jetzt statt warten auf das grüne Gas“ veröffentlicht. Anlass ist die aktuelle Diskussion um importierte „grüne“ Gase, auch als „Power to Gas“ (PtG) oder „Power to X“ (PtX) bezeichnet. Gemeint sind damit aus sonnenreichen Regionen wie Nordafrika importierte synthetische Brennstoffe wie Wasserstoff und Methan, die dort mit erneuerbar erzeugtem Strom hergestellt werden. Die Unterzeichner sehen diese zwar als wichtigen Beitrag für die erneuerbare Energieversorgung in Deutschland. Sie warnen jedoch gleichzeitig, es wäre eine „Irreführung“, würde der Eindruck erzeugt, dies allein ermögliche schnelle CO2-Reduktionserfolge.
Zudem seien die Kosten importierter „grüner“ Gase für Endverbraucher kaum absehbar und hinreichende Kapazitäten nicht vorhanden. Auch seien die möglichen Spielräume, etwa noch zu niedrige Sanierungsraten bei Gebäuden durch CO2-arme Energieimporte zu kompensieren, gering. Hinzu kämen neue Importabhängigkeiten und damit mögliche geopolitische Erpressbarkeiten sowie Fragen der technischen Nutzbarkeit. Die Experten machen in dem Dossier deutlich: „Um dem trügerischen Eindruck entgegenzuwirken, eine verstärkte Nutzung größtenteils aus dem Ausland importierter ‚grüner‘ Gase könne die politischen Anstrengungen im Bereich der Energieeffizienz mindern oder gar überflüssig machen, möchten die unterzeichnenden Expertinnen und Experten explizit auf die nach wie vor zentrale Rolle einer forcierten, alle Sektoren umfassenden Effizienzstrategie hinweisen.“ Sie warnen weiter, dass durch falsche Hoffnungen in großskalige Grüne-Gase-Technologien wertvolle Zeit verschlafen würde zur Umsetzung von Effizienzmaßnahmen, die wesentlich kostengünstiger zu realisieren seien. In Folge könnten etwaige EU-Strafzahlungen weiter anwachsen.
Damit kritisieren die Experten auch bisherige politische Versäumnisse der Bundesregierung im Bereich Energieeffizienz. Sie appellieren an die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag angekündigte Energieeffizienzstrategie und weitere breitenwirksame Maßnahmen unverzüglich umzusetzen. Dazu schlagen Sie ein Dutzend konkreter Maßnahmen vor. Sie fordern unter anderem einen CO2-Preis für den Wärme- und Verkehrssektor von mindestens 50 Euro pro Tonne, Effizienzanreize für Gebäudeeigentümer und Industrieunternehmen sowie einen zukunftsfähigen Neubaustandard im Gebäudeenergiegesetz.
Das vollständige Dossier können Sie hier herunterladen.
Hintergrund
Die Idee für das Dossier ist im Rahmen der diesjährigen Summer-Study-Konferenz des European Council for an Energy Efficient Economy (eceee) im Juni entstanden. Viele der Unterzeichner sind Mitglieder des fachlichen Beirats der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF). Der Unterzeichnerkreis ist jedoch deutlich größer. Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Position der DENEFF.
Unterzeichner/innen
- Klaus Breil, Unternehmens- u. Branchen-Analyst insbesondere auch der Energie- und Rohstoffwirtschaft
- Dr. Veit Bürger, Öko-Institut
- Dr.-Ing. Klaus-Dieter Clausnitzer, Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte
- Materialforschung IFAM
- Prof. Dr. Wolfgang Eichhammer, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
- Prof. Dr. Maximilian Gege, B.A.U.M.
- Prof. Dr. Peter Hennicke, Wuppertal
- Prof. Dr. Martin Jänicke, IASS Potsdam
- Prof. Dr. Eberhard Jochem, CEPE, ETH Zürich
- Prof. Martin Patel, Universität Genf
- Prof. Dr. Uwe Leprich, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes
- Prof. Dr. Jörg Meyer, Hochschule Niederrhein
- Prof. Dr. Karsten Neuhoff, DIW Berlin
- Dr. Werner Neumann, BUND
- Dr. Martin Pehnt, Institut für Energie und Umwelt (ifeu)
- Prof. Dr. Peter Radgen, Universität Stuttgart
- Julia Repenning, Öko-Institut
- Prof. Dr. Marc Ringel, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Nürtingen-Geislingen
- Dr. Clemens Rohde, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
- Dr. Barbara Schlomann, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
- Dr. Burkhard Schulze Darup, Architekt, Berlin
- Dr. Katja Schumacher, Öko-Institut
- Dr. Stefan Thomas, Wuppertal
- Dr. Hans-Joachim Ziesing, Berlin